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„Keschde uff em Karlsberch“

Kastanien auf dem Karlsberg

08.10.2022

  • Herbstlich liegen die Kastanienschalen auf Laub
  • Der Karlsbergweiher ist in dieser Zeit einfach herrlich
  • Esskastanien im Laub

Seit Generationen ist es den Homburgern bekannt, dass „de Karlsberch“ jährlich im Herbst schmackhafte Kastanien im Angebot hat. Die Homburger sagen zu den Kastanien liebevoll „Keschde“. In unserer Region sind Esskastanien kaum verbreitet. Dass wir hier in Homburg jährlich Freude an den „Keschde“ haben dürfen, verdanken wir Herzog Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken, der die Edelkastanie auf seiner Schlossanlage (1778-1788) anpflanzen ließ. Heute noch finden sich mehr oder weniger weit vom Karlsbergweiher jede Menge Kastaniebäume, die reichlich Früchte tragen. Ortskundigen aus Sanddorf, Bruchhof und aus der Stadt Homburg ist es Jahr für Jahr eine Freude an ihrem „Karlsberch“  schmackhafte Kastanien zu sammeln. Heutzutage sind die „Keschde“ eine willkommene herbstliche Delikatesse. Doch das war nicht immer so. Während des 2. Weltkriegs und in den schweren Jahren kurz danach waren die Kastanien auf dem Karlsberg von breiten Bevölkerungsschichten heiß begehrt. Lebensmittel, insbesondere Kartoffel  waren rar. Damals war man froh in den Kastanien einen vitaminreichen Ersatz zu haben. Schon sehr früh, meist noch bei Dunkelheit, brach man auf zum „Karlsberch“ um möglichst früh nach Sonnenaufgang noch einen begehrten Kastanienernteplatz zu finden. Manche, ganz kundige Sammler, machten an  nur ihnen bekannter Stelle im Wald  ihr Sammelglück. Oft fiel die Ernte so üppig aus, dass mit Handwagen oder Fahrrad die „Keschde“ sackweise nach Hause transportiert wurden. Dort wurden sie oft monatelang trocken gelagert und wie Kartoffeln zu den Mahlzeiten verzehrt. Dass man diese Notzeit dank der „Keschde vum Karlsberch“ einigermaßen überbrücken konnte hat man also Herzog Karl II. August zu verdanken. Wie es heißt, ließ der Herzog auf der sonnigen linken Seite des Weihers an den Hängen auch Wein anbauen. Diesen Weinanbau begleiteten die Kastanien. Übrigens, was viele nicht mehr wissen, ist die Tatsache, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Karlsbergweiher der Bevölkerung als Schwimmbad diente. Die linke Sonnenseite des Weihers war sozusagen der „Karlsberchstrand“.  Heute ist der Weiher Teil des Premiumwanderweges Schlossbergtour und lädt zum Verweilen ein. Die ehemalige Schlossanlage erstreckte sich über den gesamten Bergrücken des heutigen Karlsberg. 1793 von französischen Revolutionstruppen geplündert und niedergebrannt, zeugen die zum Teil imposanten Ruinen noch heute von der ehemaligen Größe des Schlosses und den dazugehörigen Park- und Gartenanlagen. Noch heute finden sich über den gesamten Bergrücken verteilt Kastanienbäume, bis hin zu den 3 Schwanenweihern im Tal der „Karlslust“. Die Kastanie hat in unserer Gegend auch schon eine längere Geschichte. Weder Kastanien noch Wein sind durch Zufall zu uns  gelangt. Der Anbau von Trauben wie auch von Edelkastanien geht auf die Zeit des römischen Reichs zurück. Wie wir alle wissen hat Homburg in seinem Stadtteil Schwarzenacker einen eindrucksvollen Beweis römischer Vorgeschichte. Dort und an den Hängen von Bierbach bauten schon die Römer Wein an. Möglicherweise ist das Vorkommen von Edelkastanien im Taubental, in der Nähe von Schwarzenacker, auch auf die Römer zurückzuführen. Die waren nämlich darauf bedacht, die Versorgung der Grenztruppen in Germanien möglichst weitgehend vor Ort zu ernten. Hier waren sowohl das so genannte „Brot der Armen“ – in Form von Kastanien – als auch der Rebensaft für die Stärkung der Moral wichtige Bausteine. Darüber hinaus teilen Wein und Kastanien bis heute weitere Gemeinsamkeiten. Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit ist, dass sowohl für Kastanien als auch für den Wein im Oktober ein wichtiger Zeitpunkt ist. Die Kastanien sind zu diesem Zeitpunkt reif und in Sachen Rebensaft ist die Zeit des neuen Weins auf ihrem Höhepunkt. Esskastanien sind robust, widerstandsfähig und ihre Früchte lassen sich auf vielfältige Weise einsetzen. Die Kastanie stammt ursprünglich aus südlichen Regionen. Die Baumart gilt als klimatolerant, wärmeliebend und anpassungsfähig – so könnte ihr in Zeiten des Klimawandels eine immer wichtigere Rolle im Wald zukommen. Darüber hinaus sind Edelkastanien auch wertvolle Lebensräume, ihre Blüten beispielsweise sind eine wichtige Nahrungsquelle für Bienenvölker. Zudem wird das widerstandsfähige Holz u.a. für die Herstellung von Weinfässern geschätzt. Sollten wir Sie, liebe Leser, jetzt neugierig gemacht haben auf Kastanien und Sie eventuell zum „Keschdesammle“ auf den Karlsberg wandern wollen, geben wir Ihnen noch einen Tipp mit auf den Weg. Geübte Sammler von Edelkastanien entwickeln oft schnell die Fähigkeit,
ihr dorniges Äußeres mit den Schuhen aufzuknacken. Wesentlich schneller gelingt die Ernte jedoch dann, wenn zur Lese der „Keschde“ feste Arbeitshandschuhe getragen werden. Die sollten ebenso zur Ausrüstung gehören wie ein kleiner Sack oder Körbchen.
 
Rezepte:
Ob einfach nur als kleine Beilage oder doch in Komposition mit einem deftigen Essen, die „Keschde“ verspricht ein köstliches Geschmackserlebnis. Rezepte zur Inspiration und die Zubereitung der stacheligen Früchte finden Sie hier.
 
„Keschde“ aus dem Backofen
Die Kastanien etwa eine halbe Stunde bis Stunde in kaltes Wasser legen. Zur Vorbereitung zum Rösten die „Keschde“ kreuzförmig mit einem scharfen Messer einritzen. Das ist wichtig, damit sie durch die Hitze im Backofen nicht aufplatzen. Den Backofen anschließend auf 180°C Ober- und Unterhitze einstellen und die „Keschde“ ca. 20 - 25 Minuten rösten. 
 
„Keschde“ aus dem Kochtopf
Die Zubereitung in einem Kochtopf verläuft ähnlich. Nach dem Einritzen die Kastanien in einen Topf mit kochendem Salzwasser geben und ca. 15 bis 20 Minuten kochen lassen. Das kochende Wasser abgießen, die „Keschde“ kalt abschrecken und direkt schälen, um die Schale am besten zu entfernen.



Bilder: Heinz Holländer
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