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Erwerbsminderungsrente

Diese Regeln gelten aktuell für Betroffene

10.10.2023

350.000 Menschen in Deutschland haben im letzten Jahr einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt: doch nicht jeder bekommt sie auch. Vorher muss eine ganze  Reihe von Hürden überwunden werden!

Ein Überblick:
Erkranken Arbeitnehmer über längere Zeit, leidet darunter auch das Berufsleben. Der bisherige Job und die erhoffte Karriere müssen manchmal sogar ganz oder teilweise aufgegeben werden. Dann spielt auch die Erwerbminderungsrente eine Rolle; für wen diese wichtig wird, wie hoch sie ausfällt und wie sie zu beantragen ist, erklären wir Ihnen im Folgenden einmal genauer.

Die wichtigsten Fragen zum Thema Erwerbsminderungsrente im Überblick:

Erwerbsminderungsrente beantragen, Anspruch und Bedingungen:

Was ist die Erwerbsminderungsrente?
Die Erwerbsminderungsrente ist eine Art frühzeitige Rente, die greift, wenn die bisherige Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im gleichen Umfang ausgeübt werden kann. In solchen Fällen sinkt logischerweise der Verdienst oder fällt komplett weg. Die Erwerbsminderungsrente hilft, diese Einbußen zu kompensieren; aber nicht jeder, der über einige Zeit krank ist, bekommt Erwerbsminderungsrente, vor allem nicht in voller Höhe, es müssen genaue Voraussetzungen erfüllt sein. Zuständig für die Prüfung und Auszahlung ist die Deutsche Rentenversicherung. Zur Deutschen Rentenversicherung gehören alle gesetzlichen Rentenversicherer.

Wer bekommt Erwerbsminderungsrente und welche Bedingungen müssen dafür erfüllt sein?

Erkrankten Beschäftigten wird der Lohn zunächst weiter vom Arbeitgeber gezahlt. Er kann sich die Kosten unter Umständen von der Krankenkasse erstatten lassen. Erst, wenn es um schwere Erkrankungen geht, die die Arbeitsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigen (mind. 6 Monate) kommt die Erwerbsminderungsrente ins Spiel. Die bekommt in Deutschland nur, wer schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen hat und das reguläre Renteneintrittsalter noch nicht erreicht hat. Das hängt vom Geburtsjahr ab und steigt nach und nach auf 67 Jahre. Voraussetzung ist zudem, dass wegen der Gesundheit nur noch weniger als 6 Stunden Arbeit am Tag möglich sind. Für einen vollen Anspruch wären es sogar weniger als 3 Stunden am Tag. Für viele Selbständige kommt eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente aber nicht in Frage, denn sie müssen bis auf einige Berufe nicht in die Rentenversicherung einzahlen und erhalten daher auch keine Zahlungen der Deutschen Rentenversicherung bei Erwerbsminderung. Sie können stattdessen etwa durch eine private Berufsunfähigkeitsversicherung vorsorgen. Freiwillige gesetzliche Rentenbeiträge reichen für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente jedoch nicht aus. Das Thema betrifft somit grundsätzlich vorwiegend Arbeitnehmer. Diese müssen in der Regel eine sogenannte Wartezeit von 5 Jahren durchlaufen haben, um Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu haben.

Gemeint ist: Arbeitnehmer müssen mind. 5 Jahre bei der Deutschen Rentenversicherung versichert gewesen sein, bevor sie überhaupt eine Erwerbsminderungsrente erhalten können. Davon müssen sie mind. 3 Jahre Pflichtbeiträge an die Deutsche Rentenversicherung gezahlt haben. Bei Schwangeren oder Menschen in Elternzeit gibt es Ausnahmeregeln.

In der Praxis gibt es zudem einzelne Konstellationen, in denen auch Selbständige Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben können, z.B. wenn zusätzlich zur selbständigen Tätigkeit ein weiteres Angestelltenverhältnis besteht – unter Umständen kann so eben doch eine Pflichtversicherung entstehen. Auch Selbständige ohne die besagte Nebenbeschäftigung können in Ausnahmefällen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente habe. Dazu kann es zwei Jahre lang kommen, wenn sie weiter freiwillige Rentenbeiträge zahlen und vorher Pflichtbeiträge gezahlt haben. Ein dauerhafter Anspruch besteht nur, wenn Selbständige sich auf Antrag pflichtversichern lassen – oder wenn aufgrund der Tätigkeit eine Pflichtversicherung besteht. (wie bei Handwerkern, Künstlern und Publizisten, Hebammen und freiberuflichen Lehrern)

Um welche Krankheiten geht es bei der Erwerbsminderungsrente?
Es lässt sich nicht pauschal beantworten, bei welchen Krankheiten eine Erwerbsminderungsrente zugestanden wird; denn Krankheitsgeschichten fallen unterschiedlich aus. Die Schwere der Krankheit wird jeweils individuell beurteilt. In vielen Fällen geht es aber um schwerwiegende Muskel- Nerven- Knochen- oder Stoffwechselerkrankungen. Auch Krebserkrankungen sind typisch. Fallen gängige Krankheiten gravierend aus, ist auch hier eine Anerkennung möglich.

Muss ich eine Erwerbsminderungsrente beantragen?
Ja! Um Erwerbsminderungsrente zu bekommen, muss ein Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt werden. Dies kann man in einer Filiale der Deutschen Rentenversicherung machen oder online auf der Homepage der Deutschen Rentenversicherung. Theoretisch ist es auch möglich, die Erwerbsminderungsrente formlos in einem Schreiben zu beantragen. Dann meldet sich die Deutsche Rentenversicherung zurück und fordert weitere Unterlagen an.

Welche Unterlagen benötige ich für den Antrag auf Erwerbsminderungsrente?
Damit es mit der Beantragung und der Auszahlung der Erwerbminderungsrente schnell geht, sollte man also gleich alle Unterlagen im Blick haben; dazu zählen zum einen Personaldaten und Versicherungsnachweise, zum anderen Dokumente zum Krankheitsverlauf.

Im Einzelnen sind das:

-Kontonummer / IBAN und Steuer-ID

-Kranken-u. Pflegeversicherungsausweise, Nummern

-Versicherungsnummer (steht z.B. auf allen Schreiben zur Rente)

-Gehaltsabrechnung

-Meldung zur Sozialversicherung (oder dem Sozialversicherungsausweis)

-Versicherungsunterlagen für Zeiten ohne Berufstätigkeit (z.B: Nachweise über Ausbildungszeiten, Bescheide über Soziallleistungen)

Zum Krankheitsverlauf müssen bei der Erwerbsminderungsrente zusätzlich noch folgende Dokumente vorgelegt werden:

-       Angaben über behandelnde Ärztinnen und Ärzte

-       Ärztl. dokumentierte Auflistung der Krankheiten und deren Auswirkungen (die Rentenversicherung spricht von „Gesundheitsstörungen“)

-       Dokumente und vorherige Bescheid von Krankenkassen, Arbeitsagenturen oder Berufsgenossenschaften zum Gesundheitsstatus und zu Krankenkassen

-       Angaben zur Krankenhaus- und Reha-Aufenthalten der letzten Jahre

-       Aufstellung der beruflichen Tätigkeiten

-       Bei Behinderungen: Behindertenausweis bzw. Feststellungsbescheide zum Grad und zur Art der Behinderung

 

Erwerbsminderungsrente - Was passiert nach der Antragsstellung?
Bis es tatsächlich zur Auszahlung der Erwerbsminderungsrente kommt, müssen Arbeitnehmer einige Hürden überwinden. Nach dem Antrag werden die eingereichten Unterlagen von Ärzten, Krankenkasse und Behörden geprüft. Die Deutsche Rentenversicherung achtet dabei nicht nur darauf, ob die medizinischen Voraussetzungen erfüllt werden. Es geht auch um Alternativen. Wichtig ist vor allem die Frage, ob man trotz Krankheit früher oder später wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren kann; entweder in den vorherigen Beruf; oder einen anderen Beruf, der z.B. weniger körperliche Belastung mit sich bringt, sofern eine Berufsunfähigkeit, aber keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Der Unterschied:

Bei einer Berufsunfähigkeit kann nicht mehr im bisher ausgeübten Beruf gearbeitet werden. Bei einer Erwerbsunfähigkeit kann in gar keinem Beruf mehr gearbeitet werden. Für die Rückkehr sollen die Erkrankten Rehas absolvieren. Die Deutsche Rentenversicherung spricht selbst vom Grundsatz „Reha vor Rente“. Ganz so schnell gibt es eine Erwerbsminderungsrente also nicht. Wenn die Krankheit aber so schwerwiegend ist, dass eine Reha das Problem nicht lösen kann, kann eine Erwerbsminderungsrente in Frage kommen. Diese wird dann entweder in abgestufter oder voller Höhe gezahlt. Das hängt davon ab, ob nach Beurteilung der Rentenversicherung eine volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Die Anerkennung ist im Regelfall befristet und höchstes 3 Jahre gültig. Nach Ablauf der Frist muss die Erwerbsminderungsrente neu beantragt werden. Nur wenn eindeutig keine gesundheitliche Besserung zu erwarten ist, wird langfristig weitergezahlt.

Sind sich Rentenversicherung und Betroffene uneinig darüber, wie viel Arbeit noch möglich ist – und wie viel Erwerbsminderungsrente daher angemessen ist, kann es kompliziert werden. Im Zweifel droht ein langjähriger Streit. Wirken die eingereichten Unterlagen nicht plausibel, können weitere Nachweise angefordert werden. Zudem kann die Rentenversicherung selbst durch Leistungstests oder eigene Gutachter prüfen lassen, wie krank jemand tatsächlich ist.

Was ist der Unterschied zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung?
Bei der Unterscheidung voller und teilweiser Erwerbsminderung, die darüber entscheidet, was am Ende ausbezahlt wird, geht es u.a. um die tägliche Arbeitszeit. Eine volle Erwerbsminderung gibt es, wenn die Krankheit so schwer ist, dass ein Arbeitnehmer weniger als 3 Stunden täglich arbeiten kann- egal in welchem Beruf. In dem Fall wird die Erwerbsminderungsrente meistens in voller Höhe ausgezahlt. Behinderte Menschen, die in Werkstätten arbeiten, gelten grundsätzlich als voll erwerbsgemindert. Gilt man als teilweise erwerbsgemindert, wird davon ausgegangen, dass man zwar weniger als 6 Stunden, aber weiterhin mind. 3 Stunden am Tag arbeiten kann. Dann gibt es den halben Betrag.

Eine Sonderregelung gibt es für Menschen, die vor dem 02.01.1961 geboren sind; sie können auch bei Berufsunfähigkeit zumindest eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten. Es geht also um Fälle, in denen zwar noch wenigstens 6 Stunden täglich Arbeit möglich sind, aber nicht im bisherigen Beruf.

Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente 2023 und wie berechnet man sie?
Eine pauschale Summe oder Höhe der Erwerbsminderungsente gibt es nicht. Sie fällt individuell aus und wird nach 3 Faktoren, die miteinander multipliziert werden, bestimmt. Zum einen geht es um die Höhe und Jahre der Einzahlungen in die Rentenversicherung. Dafür vergibt die Deutsche Rentenversicherung Punkte. Diese richten sich nach dem deutschen Durchschnittsverdienst (im Jahr der Einzahlung) Wer z.B. 70 % des Durchschnittsverdienstes in einem Jahr bezogen hat, erhält 0,7 Punkte. Diese heißen auch Renten- oder Entgeltpunkte.

Der Hintergrund:

Der Verdienst bestimmt auch die Höhe der Einzahlungen. Relevant wird später der Punkte-Durchschnitt aller Beitragsjahre. Darüber hinaus geht es um die Art der Erwerbsminderung. Sie bestimmt den sogenannten Rentenartfaktor. Gilt man als vollständig erwerbsgemindert, beträgt der Rentenartfaktor 1,0. Ist man teilweise erwerbsgemindert, ist der Rentenfaktor 0,5. Des Weiteren geht es noch um den Rentenwert. Der wird jährlich bestimmt und war lange in West-u. Ostdeutschland unterschiedlich. Im Westen betrug er bis 30.06.2023 36,02 EUR, im Osten 35,52 EUR. 
Seit Stichtag 01.07.2023 gelten neue Werte. Ab diesem Datum beträgt der Rentenwert zum ersten Mal bundeseinheitlich 37,60 EUR.

Nachstehend ein Beispiel für die Berechnung ab 01.07.2023:

Eine Person hat 35 Jahre in die Rentenversicherung einbezahlt: Im Durchschnitt dieser Jahre hat sie 0,7 Entgeltpunkte gesammelt. Wegen einer schweren Erkrankung bekommt sie eine volle Erwerbsminderungsrente. Der Rentenfaktor beträgt also 1,0. Bei einer teilweisen Erwerbsminderung würde sich der Faktor entsprechend auf 0,5 reduzieren. Der Rentenwert liegt einheitlich bei 37,60 EUR.

Wie viel die Erwerbsminderungsrente beträgt, errechnet sich daher wie folgt:
35 Einzahlungsjahre x 0,7 Entgeltpunkte x 1,0 Rentenfaktor x 37,60 EUR Rentenwert = 921,20 EUR
Die vorgenannte Person z.B. kann mit 921,20 EUR Erwerbsminderungsrente rechnen.

Das Beispiel ist vereinfacht und eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente.

Eine solche erhalten in der Regel Personen, die dieses Jahr eine Erwerbsminderungsrente mit wenigstens 64 Jahren und 10 Monaten beziehen. 2024 steigt die Grenze auf 65 Jahre. Wer vor diesem Zeitpunkt Anspruch auf Erwerbsminderungsrente erhebt, muss Abschläge in Kauf nehmen. Pro Monat, in dem die Erwerbsminderungsrente früher bezogen wird, beträgt der Abschlag 0,3 %, maximal werden jedoch 10,8 % vom errechneten Betrag abgezogen.

Aber auch davon gibt es wieder eine Ausnahme:
Personen, die als teilweise oder voll erwerbsgemindert gelten und auf 35 relevante Jahre in der Rentenkasse kommen, erhalten Erwerbsminderungsrente schon ab 63 Jahren - abschlagsfrei. Von 2024 an sind dafür wenigstens 40 Jahre nötig, wobei auch Zeiten ohne eigene Beträge, etwa in der Ausbildung, mitzählen können. Wer nun eine Erwerbsminderungsrente bezieht, fragt sich womöglich irgendwann, wie viel man hinzuverdienen darf. Dabei gibt es Freigrenzen. Diese sind bei einer teilweisen Erwerbsminderung höher als bei einer vollen Erwerbsminderung. 2023 wurden sie noch einmal heraufgesetzt. Wer mehr verdient, muss mit Kürzungen der Erwerbsminderungsrente rechnen.

Es gilt:
Wurde eine teilweise Erwerbsminderung anerkannt, orientiert sich die Freigrenze am höchsten Verdienst der betroffenen Person in den letzten 15 Einzahlungsjahren. Die Rentenversicherung bestimmt sie individuell. Es sind 2023 jedoch mind. 35.647,50 EUR im Jahr möglich. Liegt eine volle Erwerbsminderung vor, ist die Grenze strikter gesetzt, denn, wer auf der einen Seite attestiert bekommen will, nicht mehr erwerbsfähig zu sein, kann nicht auf der anderen Seite mit einem hohen Verdienst auf sich aufmerksam machen. 2023 sind bei voller Erwerbsminderung maximal 17.823,75 EUR an Hinzuverdienst im Jahr möglich. Der Wert ist allgemein gültig, ändert sich aber jedes Jahr.

Welche Vor- und Nachteile gibt es bei der Erwerbsminderungsrente? Der bedeutendste Vorteil der Erwerbsminderungsrente liegt klar auf der Hand. Der Staat lässt Menschen, die vor dem Rentenalter schwer krank werden, nicht im Regen stehen.

Wie dargestellt, gibt es aber auch Nachteile.
Einer davon ist die Beantragung und Anerkennung. Ganz unbürokratisch, selbst wenn die wesentlichen Schritte sowohl analog als auch digital erfolgen können, ist dieser Prozess nämlich nicht. Es müssen nicht nur diverse Dokumente vorgelegt werden, sondern die Deutsche Rentenversicherung muss die gesundheitliche Beeinträchtigung auch anerkennen. Das kann mitunter sehr kleinteilig werden. Hinzu kommt, dass der ausgezahlte Betrag auch bei voller Anerkennung nicht immer ausreicht, um alle Lebenshaltungskosten zu decken. Dann ist man letzten Endes darauf angewiesen, sich doch etwas dazu zu verdienen. Hinzuverdienstgrenzen zeigen jedoch, dass auch das nicht immer ohne weiteres möglich ist. Alles in allem also ein recht aufwendiges und nicht ganz unkompliziertes Unterfangen. © Rechtsanwalt Volker Klein

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