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Impfpflicht im Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Volker Klein informiert:

08.12.2021

-1- Um die Impfquote unter Arbeitnehmern zu steigern, könnten Arbeitgeber sie – unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen – zur Impfung anhalten, sofern dafür eine rechtliche Grundlage besteht. Bislang gibt es in Deutschland keine gesetzliche Pflicht zur Impfung gegen das Corona-Virus. Für eine entsprechende Regelung bezüglich Covid-19 müsste das Infektionsschutzgesetz angepasst werden – doch der politische Wille, diese Änderung vorzunehmen, fehlte bisher. Gleiches gilt für die Möglichkeit, eine Impfpflicht per Rechtsverordnung einzuführen, die ebenfalls offen stünde. Allerdings wurde bislang hiervon kein Gebrauch gemacht.
 
Auch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge kommen als Rechtsquellen zur Einführung einer Impfpflicht in Betracht. In allen Fällen bedarf es jedoch einer einzelfallbezogenen Abwägung der betroffenen Grundrechte. Der Arbeitgeber kann sich auf seine Berufs- und Eigentumsfreiheit (Artikel 12 und Artikel 14 GG) berufen, während der Arbeitnehmer seine grundrechtlich geschützten Positionen aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 1 GG) und der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 GG) geltend machen kann. Obwohl die Tarifvertragsparteien eigentlich nicht unmittelbar grundrechtsgebunden sind, sind Tarifregelungen, die ein Grundrecht unangemessen – also unverhältnismäßig – beschränken, unzulässig. Daraus ergibt sich das Erfordernis einer Einzelabwägung. In Arbeitsverträgen werden aktuell kaum ausdrückliche Regelungen zum Impfschutz zu finden sein. Sollte dort eine Impfpflicht verankert werden, müsste sie einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB standhalten. Eine Impfpflicht verstößt jedenfalls gegen das Verbot unangemessener Benachteiligung, da sie eine Abweichung von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen – vorliegend der ausdrücklichen Entscheidung, keine solche zu normieren – darstellt. Im übrigen wären auch außerdem grundgesetzliche Wertungen zu berücksichtigen, so dass sich auch aus der unzulänglichen Berücksichtigung der Grundrechte des Arbeitnehmers eine unangemessene Benachteiligung ergäbe. Auf das Direktionsrecht kann die Impfpflicht ebensowenig gestützt werden. Es gibt mithin keine Pflicht zur Impfung, so dass auch in Arbeitsverträgen derartiges nicht vereinbart werden kann.
-2- Für den Arbeitgeber kann es deshalb von Interesse sein, den Impfstatus seiner Mitarbeiter abzufragen. Eine Rechtsgrundlage zur Erhebung dieser Information findet sich ausdrücklich in § 23 a Infektionsschutzgesetz, der allerdings ausweislich § 23 Abs. 3 IfSG allein auf bestimmte medizinische Einrichtungen beschränkt ist und im übrigen keine Anwendung findet. Für alle anderen Beschäftigten gilt das Allgemeine Datenschutzrecht. Bei der Auskunft über den Impfstatus handelt es sich um ein Gesundheitsdatum, dessen Verarbeitung nur unter den Voraussetzungen der Artikel 9 Abs. 2 Datenschutzgrundverordnung bzw. Artikel 88 Datenschutzgrundverordnung in Verbindung mit § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zulässig ist. Dabei wird verlangt, dass die Datenverarbeitung zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erforderlich ist und kein Grund zur Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Da die Information über die Impfung – anders als beispielsweise Schnelltest-Ergebnisse – keine unmittelbaren Rückschlüsse auf betriebliche Maßnahmen im Rahmen der Fürsorgepflicht zulässt, wird auch diese Abwägung in der Regel zu Lasten des Arbeitgebers ausfallen. Im Regelfall wird es daher an einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Erhebung und Verarbeitung des Impfstatusses mangeln.
 
Zudem kommt die vielerorts diskutierte Zahlung einer Impfprämie, mit der vollständig geimpfte Mitarbeiter bei entsprechendem Nachweis für ihre Impfbereitschaft belohnt werden, in Betracht. Wer diese zahlt, nimmt erhebliche Rechtsunsicherheiten in Kauf. Bislang ist ungeklärt, ob sie gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot aus § 612 a BGB verstößt. Nach dem auf Artikel 3 Grundgesetz zurückzuführenden allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz darf bei begünstigenden Maßnahmen durch den Arbeitgeber kein Arbeitnehmer – im Verhältnis zu ihm vergleichbaren Mitarbeitern – sachgrundlos schlechter gestellt werden. Für eine Sonderzahlung, die nur an einige Arbeitnehmer ausbezahlt wird, bedarf es demgemäß eines sachlichen Grundes; vorliegend liegt dieser im vollständigen Impfschutz gegen das Corona-Virus, der schließlich dem

-3- Interesse des Arbeitgebers, die Funktionsfähigkeit seines Unternehmens bestmöglich aufrecht zu erhalten, dient. Eine rechtswidrige Ungleichbehandlung dürfte mithin nicht vorliegen. Beim Maßregelungsverbot, nach dem ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt, ist dies weniger eindeutig. Die Benachteiligung von Arbeitnehmern kann nicht nur in der Schlechterstellung gegenüber dem Status quo, sondern auch in der Vorenthaltung von Vorteilen, die der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, liegen. All denjenigen, die sich – regelmäßig – gegen eine Corona-Schutzimpfung entscheiden, würde eine Impfprämie vorenthalten. Allerdings gibt es Meinungen, die gute Anhaltspunkte sehen, hier keine Maßregelung zu sehen. Bis diese Rechtsfrage von den Gerichten geklärt wird, verbleibt das Risiko, die Impfprämie auch an ungeimpfte Arbeitnehmer auskehren zu müssen.
 
Bewertung und Ausblick:
Die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht ist derzeit unwahrscheinlich. Auch andere Rechtsquellen versprechen aufgrund der hohen Bedeutung der Freiheitsgrundrechte insgesamt weniger Erfolg bei der Erhöhung der Impfquote durch den Arbeitgeber. Möchte dieser dennoch einen Beitrag dazu leisten, die Impfbereitschaft zu erhöhen, ist er am besten damit beraten, seinen Arbeitnehmern selbst ein Impfangebot zu unterbreiten - bestenfalls direkt vor Ort durch den Betriebsarzt.

 

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